Verpackungsmüll und extremes Konsumverhalten sind schon länger an der Tagesordnung. Im Corona-Jahr vermerkte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beispielsweise, dass in Deutschland jährlich 1,1 Millionen Tonnen Kleider an Altkleidercontainer vergeben werden – Kleider, welche in den Müll geworfen werden, sind hierbei nicht berücksichtigt. Die genannten Zahlen lassen nicht nur auf eine konsumgetriebene, sondern eine Wegwerfgesellschaft schließen. Im folgende Blogartikel erfahren Sie, warum wir eine Wegwerfgesellschaft in Deutschland haben und was individuell, sowie institutionell dagegen unternommen werden kann.
Was versteht man unter der Wegwerfgesellschaft Deutschland?
Unter einer Wegwerfgesellschaft versteht man eine Gesellschaft, welche materielle Güter nur für einen geringen zeitlichen Zeitraum nutzt und anschließend entsorgt. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Phänomen entwickelt, dass selbst die kurzzeitige Nutzung des materiellen Gutes ausgeschlossen wird – neu gekaufte Konsumgüter landen direkt in der Tonne. Es wird Müll produziert, welcher nach objektiven Standards nicht als Müll zu kennzeichnen ist. Wegwerfgesellschaften, wie die deutsche, sind meist in westlichen Kulturen zu vermerken. Das Problem ist somit sowohl intra- als auch interkulturell zu betrachten.
Wie kommt es zu Wegwerfgesellschaften?
An dieser Stelle lohnt sich ein kurzer historischer Rückblick. Schichtenübergreifende Wegwerfgesellschaften sind ein postmodernes Phänomen, welches man sich vor 60 bis 80 Jahren nicht vorstellen konnte. Ausschlaggebend für die Entwicklung einer solchen Gesellschaftstypus ist logischerweise, dass es etwas zum Wegwerfen gibt. Ferner ist es wichtig, dass das Wegwerfen jenes materiellen Gutes bei der Person keine negativen Assoziationen hervorruft – es muss eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den gekauften Produkten entstehen. Die gegebenen Bedingungen, welche auf das Was und Warum des Wegwerfens abzielen, werden durch unsere kapitalistische Ökonomik determiniert. In diesem Rahmen produziert man viel vom Was> und entwickelt ein gleichgültiges Warum.
Adam Smith, welcher als Urheber der kapitalistischen Ökonomik gesehen werden kann, beschreibt in seiner Schrift „Wohlstand der Nationen“ anhand des Beispiels einer Stecknadelfabrik, wie es zu diesem zahlreichen Was an Produkten kommt:
„Ein Pfund enthält über viertausend Nadel von mittlerer Größe. Diese zehn Personen konnten demnach täglich über 48 000 Nadeln herstellen. Da jeder den zehnten Teil von 48 000 Nadeln machte, so lässt sich auf jeden täglich 4800 Nadeln rechnen. Hätten sie dagegen alle einzeln und unabhängig gearbeitet und wäre keiner für diese besondere Tätigkeit angelernt worden, so hätte gewiss keiner zwanzig, vielleicht nicht eine Nadel täglich machen können, …“
Spezialisierung von Fachkräften
Grundlage für die schnelle und zahlreiche Produktion von Gütern ist die Spezialisierung der Arbeitskräfte auf einen Partialbereich. Obwohl Sie im postindustriellen Zeitalter leben, ist die Spezialisierung und Vollführung einer Tätigkeit gegenwärtig; sie hat sogar zugenommen. Tätigkeiten im Mindestlohnsektor müssen nicht angelernt werden und können nach einer dreitägigen Probezeit übernommen werden. Die Spezialisierung und rigorose Durchführung eines Ablaufs ist in Deutschland eher ein Phänomen der Dienstleistungsberufe.
Zahlreiche materielle Konsumgüter, welche die Wegwerfgesellschaft in Deutschland bedingen, entstehen durch die globalisierte Ökonomie. In Schwellenländern arbeiten Menschen unter Arbeitskonditionen eines industriellen Zeitalters, indem sie lediglich auf einen einzigen Schritt spezialisiert sind. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass die heutigen westlichen Wegwerfgesellschaften nicht möglich wären, wenn diese nicht durch menschunwürdige Arbeitsverhältnisse auf der anderen Seite des Globus kompensiert würden.
Güter als Tauschware
Durch den globalisierten Zustand der kapitalistischen Ökonomik wird die gleichgültige Beziehung zum gekauften Produkt verstärkt. Der Mehrwert von Konsumgütern wird in erster Linie durch den Tauschwert des Geldes dargestellt. Die Problematik des ständigen kapitalistischen Wachstums besteht darin, dass ein Arbeiter einen größeren Mehrwert schafft als den letztendlichen konstatierten Tauschwert.
Das Exempel der Stecknadelfabrik, welche täglich 48 000 Nadeln produziert, veranschaulicht dieses Problem: Die Arbeiter produzieren mehr Stecknadel als sie persönlich brauchen. Demzufolge können diese Nadeln für einen geringen Tauschwert angeboten werden. Der Tauschwert entspringt jedoch nicht dem tatsächlichen Mehrwert ihrer Arbeit. Der anschließende Kauf des Konsumenten zeichnet sich schließlich durch eine Geringschätzung des Mehrwerts des Produkts aus. Die Bereitschaft das Produkt nach kurzzeitiger Benutzung wegzuwerfen wird erhöht, da der Käufer weder an der Produktion beteiligt war noch mit einem angemessenen Tauschwert entgegnet.
Wie kann dem Verhalten individuell entgegengewirkt werden?
Bevor man institutionelle Strukturen verändert, können Sie individuell dazu beitragen die deutsche Wegwerfgesellschaft im Zaum zu halten. Die Produktion von „Abfall“ kann verringert werden, indem Sie ein gesundes Maß an Produkten kaufen, welches mit einer stärkeren Verbundenheit mit den Produkten einhergeht; eine gewisse Eigenverantwortung ist hierbei vorausgesetzt.
Fast Fashion vermeiden
So könnten Sie Fast Fashion Klamotten aus Ihrem Konsumverhalten streichen. Jeder weiß, dass in Europa produzierte Textilien nicht zu einem Preis von fünf Euro angeboten werden können – auf solche Konsumgüter können Sie getrost verzichten. Dieser Schritt mündet automatisch in einen höheren Preis des neuen Klamottensortiments; was eine höhere Wertschätzung für das gekaufte Produkt wahrscheinlicher macht. Das gekaufte Textil wird aufgrund des hohen Tauschwerts nicht nur ungerne weggeworfen, sondern auch unwahrscheinlicher durch ein Neues ersetzt. Die besagte Fast Fashion ist dafür bekannt, Textilien zu produzieren, welche maximal ein Jahr halten – spätestens nach dieser Frist muss man es neu kaufen.
Reparieren statt entsorgen
Die Wertschätzung eines Produkts durch einen teuren Tribut lässt sich auf alle Produktkategorien ausdehnen. Teure Produkte sind nicht nur länger haltbar, sondern lassen sich in der Regel reparieren. Meistens lohnt es sich nicht eine zwanzig Euro Jeans sticken zu lassen, da sie sich zu diesem Zeitpunkt in einem miserablen Zustand befindet, welcher eine Reparatur nicht lohnens-wert macht.
Falls dies für Sie nicht finanzierbar ist, können Sie auch einen kreativen Beitrag leisten. Scheinbar unbrauchbare Dinge müssen nicht direkt im Müll landen und können anderweitig umfunktioniert werden. Die abgetragenen Jeans können Sie als Waschlappen benutzen, die Marmeladengläser als Tupperware oder Verpackungskarton für einer Ihrer nächsten Versände wiederverwenden – Ziel sollte es sein den Abfall zu reduzieren.
Mehrwegprodukte nutzen
Bezüglich des Abfalls können Sie einen Umstieg auf Mehrwegprodukte ausprobieren, welche auf Dauer finanziell vorteilhafter sind als herkömmliche Plastikprodukte. Dazu gehört beispielsweise die Silikonbackform, der Ersatz von Kaffeetabs durch herkömmlichen Kaffee oder das Mitnehmen einer Einkaufstasche. Natürlich werden Sie je nach Umständen in jener Hinsicht nicht absolut konsequent sein können – eine gewisse Plastikreduktion ist jedoch mehr als nichts.
Wie wird dem Verhalten institutionell entgegengewirkt?
Recycling und Mehrwegprodukte
Die Bundesregierung bemüht sich eine Kreislaufwirtschaft auszubauen. In diesem Fall werden Abfälle zur Wiederverwendung verarbeitet – das Stichwort lautet Recycling. Laut der offiziellen Homepage der Bundesregierung werden 79 Prozent des Verpackungsmülls recycelt und in die Wirtschaft wieder mitintegriert. Staatliche Einrichtungen tragen durch die Einschränkung von Plastikprodukten dazu bei, den potenziellen Recyclingabfall zu minimeren.
Dazu gehört das Verbot von leichten Plastiktüten, die Verbannung von Plastikröhrchen in der Fast-Food-Gastronomie oder rigorosere Regelungen für Kunststoffverpackungen. Außerdem appelliert die Bundesregierung an Großunternehmer langlebige Produkte herzustellen, welche nicht nach einem Jahr funktionsuntüchtig sind. So soll der austauschbare Akku wieder in die neuen Handys integriert werden; oder mindestens eine optionale Reparatur erleichtert werden.
Pfandsystem
In Deutschland herrscht seit dem 01. Januar 2003 eine allgemeine Pfandpflicht für Einwegflaschen, Dosen oder Glasflaschen. Das in Deutschland herrschende Pfandsystem konnte in den letzten Jahren durch die nationale und internationale Interaktion verbessert werden. Das Pfandsystem ist mittlerweile nach ersten affektierten Kritiken der Industrie ein fester Bestandteil des deutschen Markts.
Diese Etablierung hat Deutschland den skandinavischen Ländern zu verdanken, welche als erste ein solches Pfandsystem etabliert haben. Durch den Kauf von Flaschen mit einem Pfandetikett leisten Sie mit einem geringen Einsatz einen großen Widerstand gegenüber einer deutschen Wegwerfgesellschaft; Einwegflaschen werden hierbei nicht weggeworfen, sondern bis zu 97 Prozent wiederverwertet.
Fazit
Die deutsche Wegwerfgesellschaft ist nicht als kultureller Zerfall, sondern als Resultat der kapitalistischen Wachstumsökonomik zu betrachten. Unter den gegebenen Umständen ist ein solches Konsumverhalten eher als unbewusster Prozess zu verstehen. Nichtdestotrotz ist der beste Weg diesem Phänomen Widerstand zu leisten, sich eines Problems bewusst zu sein. Inwiefern westliche Wegwerfgesellschaften in den kommenden Jahrzehnten Ihr Konsumverhalten decken werden können, ist spekulativ und sollte Sie nicht vor dem Handeln im Jetzt zurückschrecken lassen.
Selbst wenn die heutigen Konsumzustände immerwährend sein werden, ist das Überdenken des eigenen Lebensstils in Betracht zu ziehen – stetiger und nicht begehrenswerter Konsum macht bekanntermaßen auch nicht glücklich. Die Bundesregierung schafft durch ihre interventionistischen Maßnahmen alle Rahmenbedingungen, welche für das Recyceln der Produkte dienlich sind. Gleichzeitig können Sie individuell einen Beitrag leisten, was Ihre Wertschätzung für das bezahlte Produkt erhöht und Ihnen finanzielle Vorteile verschaffen kann.